Manchmal braucht es keinen vollen Terminkalender oder ambitionierte Pläne – manchmal reicht einfach nur Zeit. Im Walsertal wird der Alltag auf Pause gedrückt, und plötzlich steht nicht mehr Effizienz, sondern Langsamkeit im Fokus. Von der ersten Begegnung mit der imposanten Bergwelt über das Entdecken neuer Lieblingsplätze bis hin zu stillen Momenten in der Cabin: In diesem Blogartikel lässt euch Tonia an ihrem Aufenthalt im Walsertal und ihren Gedanken teilhaben.
Die kühle Jahreszeit fühlt sich immer an wie einmal tief durchatmen. Als Lili und ich die schmalen Bergstraßen in Richtung Sonntag zum Cabinski-Spot im Walsertal hoch gefahren sind und meine Augen permanent versucht haben, den Horizont zu fokussieren und die Wucht und Weite der Berge zu erfassen, habe ich erstmal gemerkt, wie sehr ich genau das hier gebraucht habe.
Keine Pläne. Leben nach dem Wetter, aber mit der Option, sich einfach einzurollen und absolut nichts zu tun. Simple Tage. Reduziert auf das Notwendigste, aber Wesentliche. In den Sommermonaten passiert immer so viel gleichzeitig, dass weder Kopf noch Herz irgendwie hinterher kommen, alles zu verarbeiten - Zeit, dafür endlich ein bisschen Raum zu schaffen und sich zu sortieren. Ich hab mich gefragt, wann ich das letzte Mal die Zeit hatte, einen Ort wirklich zu fühlen. An einen anderen Ort zu fahren, um sich “auszuruhen” bedeutet nicht unbedingt nichts zu tun, sondern die Möglichkeit zu haben, alles im eigenen Rhythmus zu tun und Details in der eigenen Umgebung wieder wahr zu nehmen.
Die Cabins lagen deutlich höher, als Lili und ich erwartet hatten. Als wir unsere Cabin aufgeschlossen haben, sind wir im Flur stehen geblieben, haben angefangen zu lachen und haben uns ernsthaft gefragt, ob wir in einer Videosimulation gelandet sind. Ich hab noch nie einen Ausblick gesehen, der mir die Illusion gegeben hat, in einen überdimensionalen Bildschirm hinein zu fallen. Draußen lag die schönste Bergkulisse, die ich je gesehen habe - Bäume in allen Farben und selbst durch die Scheibe kristallklar. Durch das große Panoramafenster haben wir nicht mal die Wiese vor der Cabin gesehen und haben uns gefühlt, als würde die gegenüberliegende Bergseite immer näher kommen und die Cabin schwerelos in der Bergwand stehen.
Lili und ich arbeiten seit Jahren zusammen und sind eigentlich Team absolute Effizienz. Unter normalen Umständen hätten wir sofort das Auto ausgepackt und den Kühlschrank gefüllt. Hier nicht. Wir sind auf die riesige Fensterbank vor dem Panoramafenster gefallen und lagen dort erstmal eine ganze Weile - ab jetzt waren Zeit und Raum egal. Als es irgendwann dunkel wurde, haben wir die Sauna angemacht, uns die Cabin genauer angesehen, sind barfuß durchs taunasse Gras um die Cabin getappt und haben das Nötigste in den Schränken verstaut. Endlich Zeit zum Kochen. Es hat sich angefühlt, als hätten wir einen Schalter auf Langsamkeit umgelegt. Ich glaube, an dem Abend hat keine von uns auch nur einen Blick auf die Uhr geworfen und nach zwei ausgiebigen Sauna-Runden sind wir unfassbar tief eingeschlafen.
Wenn man sich gut kennt und den Rhythmus der anderen Person mitfühlt, ergeben sich einige Tagesabläufe ganz natürlich. Wir haben genossen, was wir monatelang unwissentlich vermisst haben: Stille. Wortlos hat es sich eine von uns morgens im Morgengrauen mit einem Buch vor dem großen Fenster gemütlich gemacht, die andere hat es auf die Yogaplattform vor der Cabin mit Blick über das gesamte Tal gezogen. Erst beim Frühstück haben wir uns durch alle Cabin-Playlists getestet, frischen Käse im kleinen Hofladen geholt und ganz ganz langsam überlegt, wonach uns für diesen Tag der Sinn steht.
Da wir die neu gewonnene Langsamkeit so genossen haben, wollten wir uns den Tag auf keinen Fall überladen. So haben wir auf dem Cabinski-Blog gezielt nach Wanderungen gesucht, die uns maximal 1,5-2h pro Weg vorgeschlagen haben. Unser Kriterium für Tag 1: In die Ferne schauen, die Herbstsonne genießen und endlich wieder Kaiserschmarren essen. Nach einem ausgiebigen Frühstück und bepackt mit allen Kameras, die man sich um den Hals packen kann, sind wir ab Bergstation Sonntag-Stein, die über die Gondel zu erreichen ist, in Richtung Breithornhütte auf 1680 Metern Höhe gewandert. Der Wanderweg war gut befestigt und nicht zu steil, sodass wir uns vollkommen auf die Aussicht fokussieren konnten. Einige Abschnitte sind wir schweigend vor uns hin gewandert, in anderen Situationen haben wir uns über Themen unterhalten, wo unsere Gedankengänge im überladenen Alltag gar nicht landen. Ab und zu sind wir mitten im Satz stehen geblieben und haben einfach nur gestaunt, wenn sich wieder eine neue Blickrichtung ergeben hat.
Nach ungefähr 1,5h Stunden haben wir die Breithornhütte mit Sonnenterrasse entdeckt - genau, was wir gebraucht haben. Erschöpft, aber glücklich haben wir uns an einen der Holztische fallen lassen und wussten gar nicht, was uns mehr begeistert: der frische Kaiserschmarren oder das Bergpanorama Walserkamm bei klarer Sicht, soweit das Auge reicht. Fazit für Ausflug eins: Unsere Wanderexpertise und Ausdauer lassen sich echt noch stark ausbauen, aber wir haben jeden Höhenmeter genossen!
Nach zwei Tagen haben Lili und ich festgestellt, dass die Bergluft irgendwas mit uns gemacht hat. Oder die Ruhe? Der neue Rhythmus? Die Langsamkeit? Nichts schien uns aus der Ruhe zu bringen. Angefixt von unserer ersten Mini-Wanderung wollten wir diesmal den Stafelalpsee finden und testen, ob uns Germknödel und Almdudler noch genauso gut schmecken, wie als Kind. Nach einer kurzen Recherche der Umgebung sind wir mit dem Auto in Richtung Damüls gefahren, haben das Auto in Fontanella abgestellt und sind von dort dem Wanderweg Richtung Stafelalpsee und Franz-Josef-Hütte gefolgt. Der Weg war deutlich steiler als zur Breithornhütte am Tag zuvor, der Wind fegte über die Gipfel und hat es uns schier unmöglich gemacht, sich zu Beginn des Weges irgendwie zu unterhalten. Auch wenn wir es von unserer Arbeit im Sommer an der französischen Atlantikküste üblicherweise gewohnt sind, Wind und Wetter ausgesetzt zu sein, war die Höhe ein Faktor, den wir davor nicht einkalkuliert hatten und während der ersten stürmischen halben Stunde mit Wind in den Ohren haben wir uns mehrfach gefragt, ob man auf einem befestigten Weg allein durch die Aussicht auf eine Bergkette Höhenangst entwickeln kann.
Aber wie gesagt: Nichts hat uns aus der Ruhe gebracht und nach der ersten flauschigen Begegnung mit ein paar zutraulichen Kühen mitten auf dem Weg waren alle Bedenken vergessen. Wir haben uns die Serpentinen zum Stafelalpsee hoch gebahnt, waren an dem kleinen Bergsee fast allein und haben uns nach einer kurzen Pause den Weg gegen ein paar heftige Windböen hoch zur Hütte gebahnt. Angekommen an der Franz-Josef-Hütte haben wir uns über den Germknödel in literweise Vanillesoße hergemacht und sind anschließend ein bisschen stolz den Wanderweg zurück gelaufen - halb lachend, halb gegen den Wind schreiend und auf jeden Fall irre glücklich.
Bei unserem letzten Abendessen hat die Dämmerung die Bergwand gegenüber in leuchtend rotes Licht getaucht und die Cabin hat jeden letzten Lichtstrahl aufgefangen. Hier sind es all die kleinen Details, die zusammenkommen und uns vergessen lassen, was außerhalb vom Walsertal passiert. Lili und ich sind beide sehr sensibel, was Farben und Muster angeht und in einen Raum zu kommen, in dem alles aufeinander abgestimmt und nichts zu viel ist, ist genauso erfrischend und beruhigend für den Geist wie die Umgebung, die die Cabin widerspiegelt. Der sanfte Sound durch die Speaker an der Wand, der holzige Geruch der Sauna, warme Lichtquellen - all das hat unser Nervensystem absolut heruntergefahren. Wir haben gelernt, dass ab und zu Zeit keine Rolle spielen muss, dass die Welt nicht untergeht, wenn wir ein paar Stunden nicht auf einen Bildschirm schauen und dass es sich immer, immer lohnt, sich eine Auszeit zu nehmen.